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825 Jahre Romrod: Alle Wege führen nach Rom(rod)?

Romrod Luftaufnahme (1961)

Wege nach und durch Romrod: Eine Luftaufnahme von Romrod aus dem Jahr 1961.

Ein Beitrag von Thomas Bing

Romrod mit Rom zu vergleichen ist sicherlich etwas vermessen. Romrod hat weder sieben Hügel und auch die Einwohnerzahl ist leicht darunter, wobei es den diesjährigen Zensus abzuwarten gilt. Nein, Spaß beiseite, der obige Titel war ein Slogan (etwas abgeändert) eines Fernfahrunternehmens in den 1970er Jahren in der Zeitung „Die Zeit“, und ja, Romrod hat schon eine gewisse Bedeutung in der Vergangenheit wie auch heute als Städtchen und Mittelzentrum im ländlichen Raum im Straßen- und Wegenetz. Heute wie damals sind und waren Wege von großer Bedeutung. Dadurch gibt es viele Geschichten von Krieg, Politik, Mythen, Unfälle und Lustiges zum Thema Wege zu erzählen.

Die Straße „Durch die kurzen Hessen“

Wir beginnen mit dem Ei. Wann kroch Romrod aus dem Ei, nicht 75-drei v. Chr. (Gründungsdatum von Rom), sondern vor 825 Jahren im Jahre 1197 n. Chr. Vor 825 Jahren wurde ein Ludwig von Romrod in einer Urkunde der Abtei Fulda erwähnt. Er war vermutlich beauftragt eine Wasserburg, in Tallage die beste Verteidigungsform, zu errichten. Es kann sein, dass der Siedlung Romrod damit der Grundstein (eher Grundholz, da die Burg zunächst aus Holz gebaut wurde) gesetzt wurde, es ist aber auch möglich, dass ein Dorf zuvor schon existierte.

Jedenfalls war die Lage der Burg, zentral an der Handelsroute zwischen Frankfurt und Leipzig („kurze Hessen“), aber auch an einem zum Norden hinführenden Handelsweg, klug angelegt. Burg bzw. Schloss Romrod boten darüber hinaus eine stattliche Wildbahn und Fischerei. Dies erkannte auch der Landgraf von Hessen, der später die Burg kaufte, als das Geschlecht derer von Romrod im Mannes-Stamm ausgestorben war.

Mit Hilfe landgräflicher Unterstützung gewannen Burg und Siedlung an Bedeutung. Romrod entwickelte sich zu einem kleinen Verwaltungszentrum mit Markt- und Stadtrechten. So waren in Romrod ab dem 15./16. Jahrhundert der Oberförster, der Teichmeister und andere höhere Beamten mit z.T. überregionalen Aufgaben angesiedelt. Später erlangte Romrod für einige Zeit den Landratssitz. Über lange Zeit war im Vorwerk des Schlosses Romrod die Obereinnehmerei, eine regionale Finanzbehörde, in etwa mit dem heutigen Finanzamt gleichzusetzen.

Straßen brachten auch Unglück

Allerdings brachte die Straße nicht nur Wohl, sondern in Kriegszeiten auch marodierende und plündernde Soldaten in den Ort, vor allem im Dreißigjährigen Krieg und später bei den napoleonischen Kriegen Anfang des 19. Jahrhunderts. Im 18. Jahrhundert wurde vom Landgrafen geplant, eine Trasse um Romrod herum zu führen. Bei den Romrödern fand dieser Plan wenig Begeisterung, weil man wirtschaftliche Einbußen befürchtete, wenn Durchreisende den Ort umfahren konnten. Der Unmut und Spannungen zum Landgrafen wurden noch 1786 deutlich, als Romrod den Stadtschreiber und Landtagsabgeordneten Schwedler zur Tagung der Landstände und der Vertreter des Landgrafen nach Butzbach schickte. Eine Abschrift aus dessen Tagebuch überliefert, dass er zusammen mit dem Kirtorfer Stadtschreiber Düring auf einem Zimmer eines Gasthauses untergebracht war. Wie genau sich der Protest auswirkte ist nicht bekannt, allerdings kam es, vielleicht auch aus Kostengründen, nicht zum neuen Trassenverlauf. Dieser Protest und ein Aufgebähren gegen höhere Steuern waren damals ein starker Affront gegen den absolutistischen Landgrafen, so dass er erwog die Vertreter der kleinen Städte aus den Sitzungen herauszuhalten und ihnen so das Wort zu entziehen.

Die „Chaussee“ wird gebaut

Ein wichtiger Schritt war der Ausbau der Straße zur Chaussee Ende des 18. Jahrhunderts. In dieser Zeit befanden sich die meisten Wege in katastrophalen Zustand und waren häufig nicht oder schlecht befestigt. Zeugnisse der schlechten Befestigungen sind Hohlwege, die sich aufgrund häufigen Befahrens sowie durch Erosion vor allem bei Hanglage immer tiefer in die Landschaft gruben. Viele Hohlwege rund um Romrod sind zugeschüttet. Eine Hohl bestand etwa parallel am Alsfelder Berg an der heutigen Schillerstraße, eine andere bei den „Saubirker Bäumchen“ zwischen Romrod und Buchhölzer Teich.

Die Chaussee dagegen war ein gepflasterter, gut befestigter Weg, nach niederländischem und französischem Vorbild gebaut, und ermöglichte ein sicheres und schnelles Vorankommen. Die Chaussee verlief über Gießen nach Grünberg, Romrod und Alsfeld weiter nach Bad Hersfeld und war damit eine Art Fernstraße, die – wie oben erwähnt – auch leider als Heeresstraße genutzt wurde.

Schaurige und dramatisch-spannende Geschichten zur Chaussee gibt es zu berichten. Der Revolutionär und Stadtsyndikus von Alsfeld, Johann Henrich Benjamin Minnigerode, wurde aufgrund seines revolutionären Bestrebens Ende des 18. Jahrhunderts arretiert und in einer Kutsche nach Gießen gebracht, wo ihm der Prozess gemacht werden sollte. Auf dem Weg zwischen Alsfeld und Romrod löste sich ein Schuss aus einer Pistole; Minnigerode wurde tot nach Romrod gebracht und dort an der Pfarrkirche begraben. Man vermutete, dass er sich selbst das Leben genommen hat. Da Selbstmord zur damaligen Zeit eine schreckliche Sünde war, entstand die Sage, dass an dem Tatort noch der Geist zur gewissen Stunde spukte. Im Volksglauben, so wird vermutet, entstand dadurch die „Sage der Weißen Frau“, die Wanderern zur Geisterstunde an der Runden Wiese (nähe Pfefferhöhe am Minnigerode-Tatort) auflauerte. Man spürte sie, weil sie sich Huckepack auf dem Rücken des Wanderers festhielt und ihn zu Tode erschrecken konnte.

Fuß- und Ochsenwege und Jagdschneisen

Erwähnenswert sind auch die vielen kleinen Wege, Fuß- und Ochsenwege, die von den Romrödern damals und zum Teil noch heute als Fuß- oder Feldwege genutzt wurden und werden. Da die Mutterkirche von Romrod lange Zeit in Oberrod war, ist man zu Fuß durch den Romröder Wald, an der Nordseite des Romröder Berges vorbei, hinab in das kleine Tal zu Oberrod gestiegen. Der Weg ist kurz, aber gerade der Anblick des friedlichen Tals mit dem schönen Blick auf die Kirche hat einen besonderen Charme.

Schließlich gab es noch die Herrenschneise, ein Weg, der Romrod mit dem Jagdlager Jägertal verband. Der Landgraf, der im Schloss Romrod und später im Jägertal residierte, sorgte zusätzlich für stattliche Jagdschneisen, die ein bequemeres Vorankommen, aber auch eine bessere Sicht und Schussbahn bei Drückjagden ermöglichten. Noch heute sind diese Schneisen stellenweise erhalten.

Lutherweg 1521: Von Worms über Romrod nach Eisenach

Heute werden diese kleinen Wege gerne als Wanderwege genutzt. Worauf die Romröder besonders stolz sein können, ist die Einweihung des „Lutherwegs 1521“ im Mai 2017, initiiert und vorangebracht vor allem durch den Romröder Bernd Rausch. Der 350 Kilometer lange, informative und kulturell hochwertige Pilgerweg verläuft von Worms über Grünberg, Romrod bis nach Eisenach und zeichnet den Weg Luthers nach, nachdem über diesen in Worms vom Kaiser die Reichsacht verhängt und dann in Eisenach in Schutzhaft genommen wurde.

Judenpfad: die Handelsrouten jüdischer Händler

Der Judenpfad, der durch Feldatal und auch eine Teilstrecke in Romrod hat, soll auch nicht unerwähnt bleiben. Dieser kulturelle und schöne Wanderpfad erinnert an alte Handelsrouten jüdischer Händler, Hausierer, Vieh- und Tuchhändler. Heute verläuft er nicht komplett entlang der historischen Routen, aber er verbindet die Orte, in den jüdische Gemeinden bestanden.

Die B49

Im 20. Jahrhundert wurde die Chaussee zur Bundestraße 49. Wegen des Straßenbaus wurden in vielen Orten, so auch in Romrod, nach dem Zweiten Weltkrieg etliche Häuser abgebrochen, um die enge Ortsdurchfahrt für die großen LKWs breiter zu machen. Der schwere Lastverkehr, Panzer auf Manöverfahrt vor allem zur Zeit des „Kalten Krieges“, haben zu heute noch sichtbaren Rissen und Beschädigungen der Häuser geführt. Bekannt ist, dass ein Panzer aufgrund von Lenkschwierigkeiten in den 1950er Jahren eine große Scheunenwand zertrümmerte. Das stabile Fachwerk verhinderte zumindesten, dass die Scheune zusammenfiel, später wurde sie abgebrochen und das Postgebäude dort errichtet. Die Treppe eines anderen Hauses wurde von einem LKW, der den Alsfelder Berg „heruntergeschossen“ kam und offensichtlich schlechte Bremsen hatte, zerstört.

Einen „Wasserweg“ gab’s auch mal…

Wege sind Spielstätten, Handelsrouten, Begegnungsstätten, Fortschritt, Freiheit und Lebensgefühl. Natürlich auch – im negativen Sinn – Ort von Unfällen, Umweltverschmutzung, Katastrophen und Krieg. Letzteres mag immer fernbleiben. Wie die meisten Romröder wissen, ist das Schlossstädtchen öfters dem Hochwasser ausgesetzt, so dass mancher Weg zum Wasserweg wird. Ganz nach venezianischem Vorbild machte in den 1960ern ein eifriger Wirtshausgänger die Not zur Tugend: Er pumpte sein Schlauchboot auf, paddelte zum Wirtshaus Greins in der Neuen Straße und ließ sich ein frisch gezapftes Bier herunter reichen.

In diesem Sinne: Prost Romrod und Glückwunsch zum 825-jährigen Jubiläum!

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