825 Jahre Romrod: die Festrede zur Geschichte Romrods von Gerhard Bing im Wortlaut
Natürlich standen im Rahmen des Festkommers am Samstagabend zum 825jährigen Jubiläum der Stadt Romrod Geselligkeit und Feiern im Mittelpunkt, aber nicht minder fehlen durfte der Rückblick auf die Geschichte Romrods. Das übernahm Gerhard Bing, der im Jahr 1972, im Jahr der Gründung der Großgemeinde, zur Stadtverwaltung Romrod kam und ebenda als späterer Amtsinspektor Standesamt, Hauptamt und – natürlich – das Stadtarchiv betreute. Am Sonntag (siehe Fotos) führte Gerhard Bing viele interessierte Besucherinnen und Besucher auch durch das Schloss. Seine Festkommers-Rede zur Geschichte Romrods dürfen wir nachstehend im Wortlaut wiedergeben.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte Sie recht herzlich begrüßen. Anlässlich unserer 825 Jahrfeier darf ich Sie mit einem historischen Streifzug über Romrods Vergangenheit informieren.
Wann Romrod gegründet wurde und seit wann an Antrift und Ocherbach Menschen wohnen, lässt sich heute nicht mehr sagen. Obwohl wir in den naheliegenden Wäldern Hügelgräber finden, die auf eine Besiedlung in grauer Vorzeit hinweisen. Erst allmählich durch Bevölkerungszuwachs und der dadurch bedingten Knappheit an Land, zog man dann meistens talaufwärts in die nördlicheren Landesteile, um neues Land zu besiedeln. So ist Romrod eine der frühesten Rode-Siedlung in unserem Gebiet, Funde aus dem Schloss, ein Balken, weisen auf das Jahr 1000 hin.
Wie bekannt, liegt Romrod am Gabelpunkt der großen Heerstraße „durch die kurzen Hessen“, die von Frankfurt nach Thüringen führte, sowie am sogenannten „Diebsweg“ (bei uns als Liechesweg bekannt), der in nördlicher Richtung in die Grafschaft Ziegenhain weiterzog. An diesem Schnittpunkt entstand unser Städtchen. Ob es nun vor oder nach Erbauung des Schlosses gegründet wurde, ist nicht mehr feststellbar. Auch hier schweigen die Urkunden in dieser fast schriftlosen Zeit. Jedenfalls taucht als erster, Ludwig von Romrod als Dienstmann der Abtei Fulda im Jahre 1197 aus dem Dunkel der Geschichte auf. Es gilt als gesichert, dass dieser „Ludwig de Rumerode“ der Namensgeber unseres Ortes ist. Ob sich dann die Bewohner im Schutzbereich der Burg ansiedelten und so das Dorf Rumerode entstand, ist auch möglich. Allerdings werden bereits im Jahre 1283 in einer Urkunde des Klosters Haina Güter in Romrod erwähnt, was wohl schon auf das Bestehen unseres Dorfes hinweist.
Nach Aufstieg und Niedergang der Herren von Romrod ging unser Ort nebst Schloss um 1400 in den Besitz der Landgrafen von Hessen über.
Inmitten eines der größten Waldgebiete Mittelhessens gelegen, wurde unser Gebiet das beliebteste Jagdterritorium der Hessischen Landgrafen. Da sie sich oft in Romrod aufhielten, wurde Romrod allmählich durch den Sitz verschiedener Verwaltungsbehörden ein Beamtenstädtchen. So gibt es hier schon seit mindestens 1565 das Forstamt Romrod. Es war zuständig für weite Teile Oberhessens. So unterstanden dem Ober-Land-Jägermeister im Jahre 1812 zwölf Forste mit 18 zusätzlichen Revieren. Bedingt durch die anwesenden Hofbeamten gab es allem Anschein nach schon um 1540 in Romrod eine Schule. Die Romröder Stadtschule diente als deutsche Schule und als Lateinschule, die Lateinschule ging aber um die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts an Schülermangel ein.
Für Romrod, welches wie bekannt Filiale der Kirche von Oberrod war, wird 1337 für die Schlosskapelle und im Freiheitsbrief von 1408 ein Pfarrer erwähnt. Dieser von Landgraf Hermann dem II. ausgestellten Befreiungsbrief war der Stadtrechtsverleihung gleichzusetzen. Wegen geringer Bevölkerungszahl, so habe ich zum Beispiel für 1574 eine ungefähre Einwohnerzahl von 300 errechnet, handelte es sich deshalb „nur“ um eine Dorfbefreiung. Dieses war aber ungeheuer wichtig. Denn wir Romröder wurden dadurch auf immer von der Leibeigenschaft und den dazugehörigen Abgaben befreit (z.B. das „Besthaupt“).
Von Philipp dem Großmütigen, der oft und gerne in Romrod weilte, erhielt Romrod vermutlich seine Stadtrechte. Das älteste Siegel stammt aus dem Jahre 1553. Zu Beginn der Reformation hatte sich Philipp öfters in Romrod aufgehalten und Gespräche mit Tilemann Schnabel geführt, welcher den Anstoß zur Einführung von Martin Luthers Lehre in unserer Gegend gab. Auf der Reise Luthers zum Wormser Reichstag soll Luther auch durch Romrod gekommen sein.
Nachdem Philipp der Großmütige 1567 verstarb, kam Romrod an Ludwig IV. von Hessen-Marburg. Auch dieser war ein großer Jäger. Er ließ während seiner Regierungszeit das Schloss von 1578-1587 um- bzw. neuzubauen. Als Ludwig IV. 1604 kinderlos starb, fielen Schloss und Amt Romrod an die Bruderlinie von Hessen-Darmstadt.
Hier begann nun eine schwere Zeit für Romrod, denn Hessen-Kassel war mit der Erbaufteilung nicht einverstanden und so begannen die Hessischen Erbfolgekriege, die sich im 30jährigen Krieg ausweiteten. Die Leidenszeit Romrods während dieses Krieges (beispielswese 174 Pest-Tote im Jahr 1635) ist urkundlich festgelegt.
Noch lange Jahre dauerte es, bis sich Romrod von den Folgen des schlimmen Krieges erholte. Aber auf Anregung des Herzogs Ernst des Frommen im Jahre 1668 begann man mit den Vorbereitungen zum Bau einer neuen Kirche. Denn bei der alten Kirche handelte es sich laut Aussage des damaligen Pfarrers „um ein geringes hölzernes und an Dach und Turm sehr gebrechliches Gebäude“. Am 28. April 1677 wurde dann der Grundstein gelegt und am 1. Juni 1690 die neue Kirche eingeweiht. In den Jahren 1687/88 wurde außerdem ein neues Pfarr- und Schulhaus erbaut.
Durch die vielen Kriegsereignisse war das Schloss stark verfallen und nicht mehr bewohnbar. So ließ der damalige Landgraf 1721/22 im Göringer Grund ein Jagdlager errichten. Nach einigen Jahren der Ruhe kam wieder Unheil über Romrod, dieses Mal in Form des siebenjährigen Krieges. Nur ein Fall soll zur Illustration zeigen, was die Bevölkerung damals auszustehen hatte: Vom 26. bis 28. September 1762 lagen auf den Hofwiesen, der Ostseite Romrods, 6.000 Engländer und Schotten mit 100 Offizieren und 1.000 Pferden, die wie Marodeure in Romrod hausten.
Nach einer kurzen Ruhepause begannen die Napoleonischen und später die Befreiungskriege. Eine kurze Blüte erlebte Romrod, als es von 1821 bis 1829 Landratsbezirk mit Sitz des Landrates war. Als größere Maßnahme wurde außerdem noch das Stadtwirtshaus um 1820/21 erbaut (die heutige Pizzeria „Al Castello“).
Während Romrod 1669 mit 471 Einwohnern noch der elftgrößte Ort des Oberfürstentums war, bleibt es trotz Zunahme der Bevölkerung bis 1834 auf 1.105 Einwohner hinter der allgemeinen Entwicklung zurück, fällt dann sichtlich ab und dämmert dahin.
Eine kurze Blüte begann, als unter Großherzog Ludwig IV. zwischen 1878 und 1885 das Schloss wieder so weit hergestellt wurde, dass es erstmals am 15. November 1885 bewohnt werden konnte. Der letzte Hessische Großherzog Ernst Ludwig vollendete dann das Aufbauwerk. Die letzte Glanzzeit des Schlosses fällt in das Jahr 1910, als der Zar Nikolaus mit Zarin (einer Schwester des Großherzogs) und den Kindern hier in Romrod zu Besuch weilte.
Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs begann auch der langsame Niedergang des Schlosses. Nachdem 1918 Großherzog Ernst Ludwig abgesetzt wurde, blieb das Schloss noch in seinem Besitz, doch mit seinem Tode 1937 ging das Schloss in das Eigentum des Hessischen Staates über.
Die 30-iger Jahre waren auch sonst für Romrod von Bedeutung, denn nach vielen Jahrhunderten wurde unter anderem auch Romrod mit Wirkung zum 30. Juli 1937 die Stadtrechte aberkannt. Die noch in Romrod wohnenden Juden spürten die politischen Veränderungen und wanderten aus oder zogen in größere Städte. Dass die Synagoge, den Romrödern auch als „Judenschule“ bekannt, ihrem Schicksal entging und nicht zerstört wurde, kommt daher, dass die jüdische Gemeinde sich bereits 1935 auflöste und das Gebäude an einen Privatmann verkaufte. Mittlerweile im Besitz der Stadt. wird sie gerne für Trauungen genutzt oder für Ausstellungen.
Durch den beginnenden Zweiten Weltkrieg begann wieder eine leidvolle Zeit für Romrod, die auch nach dem verlorenen Krieg weiterdauerte. So setzte nach 1945 von Osten eine Massenflucht ein beziehungsweise wurden die Menschen gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben. So begann nun ein weiteres Problem: die Flüchtlinge und Heimatvertriebenen waren mit Wohnraum zu versorgen. Zum Vergleich einige Einwohnerzahlen von Romrod: Am 17. Mai 1939 waren es 867 Einwohner, am 29. Oktober 1946 bereits 1.241 Einwohner, die auf 1.302 am 13. September 1950 anstiegen. Darunter waren 321 Heimatvertriebene und Flüchtlinge.
Mit Beginn der wirtschaftlichen Entwicklung entspannte sich dann die Lage. 1961 sank die Einwohnerzahl auf 1.151. Darunter waren noch 211 Vertriebene und 35 aus der damaligen Ostzone.
Aber auch sonst waren diese Jahre ereignisreich. Mit Wirkung vom 1. September 1958 erhielt Romrod seine Stadtrechte zurück. Durch eine Reform wurde die Polizeistation Romrod, die mit zwei Polizeibeamten besetzt war, im Juni 1958 aufgelöst und zur „Großraumstation Alsfeld“ verlegt. Wenn man in alten Akten blättert, ist zu ersehen, dass der Fortschritt auch in Romrod nicht Halt machte. Romrod entwickelte sich, wenn auch langsam.
Einem Bericht aus dem Jahr 1958 ist zu entnehmen, dass nur der um das Schloss herumführende Steinweg (heutige Schlossallee) einen Bürgersteig hatte – übrigens wurde er schon im 16. Jahrhundert als Steinweg erwähnt. Für die Hauptverkehrsstraßen hatte sich die Gemeinde aus Kostengründen gescheut, Bürgersteige anlegen zu lassen. Die anderen Gemeindestraßen waren nicht gepflastert. Auch war nur in den Hauptstraßen Kanalisation für Regen und Schmutzwasser. In einem Teil des Stadtgebiets fehlte es hieran jedoch. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass die Schulden je Einwohner damals nur 11 D-Mark betrugen. Mit dem Fortschritt der Wirtschaft in Deutschland entwickelte sich auch langsam unser Ort. Jedenfalls haben wir mittlerweile auch in Romrod Bürgersteige und vieles mehr.
Ich möchte noch berichten, was in den letzten 100 Jahren Interessantes vorgefallen ist, allerdings kann ich das eine oder andere übersehen haben, was man mir nachsehen möge.
- Im Jahr 1904 beschloss die Stadt, eine Wasserleitung zu bauen. Mit Beginn des Jahres 1907 wurde das erste Mal Wassergeld erhoben.
- 1921 wird ein Vertrag mit der Provinz Oberhessen abgeschlossen, zwecks Versorgung der Stadt Romrod mit elektrischer Energie. Im Mai 1921 erfolgt die Beschlussfassung über die Anlage einer Straßenbeleuchtung. Es wurden „16 Stück 50kerzige, hellnachtige Lampen“ bewilligt.
- 1952 erfolgte der Neubau einer dreiklassigen Volksschule, heute Sitz der Verwaltung.
- 1958 erhielt Romrod seine Stadtrechte zurück.
- 1965 erfolgte Spatenstich für den Neubau der Mittelpunktschule (MPS) „Antrifttal“ und 1967 deren Einweihung.
- 1970 erfolgte dann auch die Einweihung der katholischen Kirche „St. Josef“ in Romrod. Bei dieser Gelegenheit darf ich noch daran erinnern, dass die Großgemeinde Romrod seit dem 1. Januar 1972 besteht, also auch ein Jubiläum feiern kann. Der Kindergarten wurde ebenfalls 1972 gegründet.
- Romrod bemühte sich ferner um 1972 auch um die Anerkennung als Erholungsort. Eine Bedingung war, dass – man höre und staune – eine „staubfreie Müllabfuhr“ eingeführte werde. Die Älteren unter Ihnen wissen bestimmt noch, wo man vorher „seinen Krempel entsorgte“ bzw. loswurde.
- Mitte der 70er Jahre wurde dann das Kur- und Sporthotel gebaut; auch wurden Wanderwege angelegt und Ruhebänke aufgestellt. Der Buchhölzer Teich wurde sozusagen touristisch erschlossen. Wenn man davor steht, wurden auf der rechten Seite einige Lastwagen mit Sand für einen Badestrand abgeladen und die angrenzende Wiese als Liegewiese angepachtet. Sonntags kam dann das Eisauto, welches an heißen Tagen sehnlichst erwartet wurde. FFK’ler aus Alsfeld kamen auch gelegentlich und sonnten sich hinten links.
- Um 1965 wurde das Baugebiet auf der Hofwiese erschlossen und Ende der 1970er sowie Anfang der 1980er Jahre erweitert, etwa um die Heinestraße. In den späten 1980ern dann der Krummacker. Auch die Friedhofskapelle wurde in dieser Zeit erbaut.
- 1983/84 wird das Verwaltungsgebäude erweitert.
- 1994 wird der Kindergarten neu- bzw. umgebaut. Auch mit dem Umbau, eigentlich ein Neubau, des Bürgerhauses wird begonnen.
- 1996 erwirbt die Deutsche Stiftung Denkmalschutz das Schloss und saniert es gründlich. Seit Ende der Sanierung 2003 wird es gastronomisch genutzt.
- 2012 beginnen die Abbrucharbeiten am alten Forstamt. Man musste feststellen, dass es nicht möglich war, das Gebäude sinnvoll umzubauen. 2018/2019 beginnt man mit dem Neubau des Seniorenheimes „Schlossblick“.
Ich hoffe ich konnte Sie mit meinen Ausführungen zufriedenstellend informieren.
Möge die Zukunft unserer Stadt auch wieder, wenn auch auf andere Weise, etwas vom Glanz der Vergangenheit zurückbringen und Schloss und Stadt Romrod noch weitere Jahrhunderte in Frieden weiterbestehen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.