Auftaktveranstaltung der Erzählrunde des MGH Romrod voller Erfolg: Rund um das Motorrad der Landhebamme
Im Museum in Romrod hat jetzt die erste „Erzählrunde“ des Mehrgenerationenhauses Romrod in Kooperation mit Dr. Birgit Richtberg stattgefunden. Die neue Veranstaltungsreihe soll Raum für Erzählungen von Jung und Alt geben. Ein reges Gespräch entwickelte sich jetzt unter den 25 Teilnehmenden – diesmal rund um die Geschichten über die Landhebamme Berta Hamel und ihr Motorrad.
Das Motorrad, eine 175er Rabeneik Baujahr 1954, stand im Mittelpunkt der kleinen Erzählrunde. Als „Bewahrer“ wichtiger Gegenstände hat Bernd Waschkewitz aus Strebendorf schon vor einigen Jahren das Fahrzeug mit viel Liebe originalgetreu wiederhergerichtet und extra für die Erzählrunde von Strebendorf nach Romrod ins Museum gefahren. „Nicht nur die Insekten sterben, sondern auch die Geschichten – wenn wir sie nicht erzählen“, so begründet der ehemalige Ortsvorsteher aus Strebendorf sein persönliches Hobby.
Das Motorrad war nach dem Fahrrad und einem schwächeren Modell das dritte Hilfsmittel der Hebamme, um rechtzeitig zu den Geburten zu kommen. Dass „rechtzeitig“ bei Wind und Wetter auch damals schon knapp sein konnte, wurde von einer Mutter aus dem November 1962 berichtet. Auf Grund von Schneefall und Verwehungen war damals von Romrod nach Strebendorf kein Durchkommen. Der Weg zurück über die „Rabenstrut“ durch den Wald war lang. Als man mit der Hebamme endlich bei der werdenden Mutter ankam, war nicht mehr viel zu tun.
Auch die anwesenden Töchter von Berta Hamel konnten viel erzählen: von ihrer Kindheit mit einer alleinerziehenden, berufstätigen Mutter, die oft tagelang nicht da war. Das funktionierte Dank der Unterstützung der Großmutter und der ledigen Schwester im Haus. Der Vater war im Krieg geblieben.
Schon alleine die Entscheidung der jungen Berta Hamel, zur Ausbildung in die Stadt Mainz zu gehen war in den 30er Jahren bewundernswert. Von ihrer Vorgängerin Anna Walper übernahm sie die Tätigkeit nach einer gemeinsamen Übergangszeit 1941 und übte diese bis 1978 ununterbrochen aus. Aber seit Ende der sechziger Jahre die Mütter zur Geburt vermehrt in die Krankenhäuser gingen, war die Tätigkeit der Landhebamme noch nicht einmal mehr kostendeckend. „Hier zeigt sich eine Verbundenheit zu der Geburtshilfe, zu den werdenden Müttern in der Region, die wahrhaftig Berufung war“, so Dr. Birgit Richtberg.
Ähnlich ging es vielen Landhebammen. Es waren die Nachkommen der Hebammen, Kinder und Enkel, die ihre Geschichte an diesem Abend erzählten und ebenso die der Mütter, die von ihren ganz unterschiedlichen Erfahrungen rund um das Thema „Geburt“ berichteten. Im Gespräch wurde auch Bedauern über den Wandel in der Geburtskultur geäußert: „Früher war man guter Hoffnung – heute ist jede Geburt ein potenzieller Versicherungsfall“, so eine Besucherin.
Bei selbstgemachtem Hollersaft und guter Stimmung sprudelten die Geschichten nur so. „Eine baldige Fortsetzung der Erzählrunde des Mehrgenerationenhauses ist abgemachte Sache“, verspricht Dr. Birgit Richtberg. Über das neue Thema, Zeit und Ort wird rechtzeitig informiert werden. Gerne werden Anregungen aufgenommen!