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„Engelchen, Engelchen flieg“: Julia Rausch gewinnt den Jugend-Literaturpreis der OVAG 2023

Julia Rausch (18) aus Romrod

Keiner bleibt verschont, jeder wird, jeder muss diese Erfahrung machen: Den Moment des Abschieds, gleich ob am Anfang, in der Mitte oder am Ende seines Lebens. Die 18jährige Julia Rausch aus Romrod hat diese Erfahrung in ihrer Kurzgeschichte „Engelchen, Engelchen flieg“ derart gekonnt in Worte gefasst, dass sie beim diesjährigen Jugend-Literaturpreis der OVAG den ersten Platz belegt hat. Schon im Vorjahr hat sich die Schülerin der Albert-Schweitzer-Schule in Alsfeld, die – natürlich! – auch für die Redaktion von Romrod.de schreibt, mit der Geschichte „Ballkleidgefühle“ als versierte Beobachterin profilieren können.

Workshop für die Gewinner/innen des vergangenen Jahres zahlte sich aus

Mit ihrem diesjährigen Text hat sich Julia Rausch nochmals verbessert. „Der viertätige Workshop in Bad Kissingen, zu dem die Preisträger des vergangenen Jahres eingeladen waren, hat mir wahnsinnig geholfen“, sagt Julia. Und weiter: „Ich achte seitdem noch mehr auf die Worte, auf Wiederholungen, auf Überflüssiges, auf Füllwörter, die eine Geschichte oft schwächer machen.“

In der 7. Schulklasse nahm Julia Rausch an einer Presse AG ihrer Schule teil. „Das war schon eine Erfahrung, wie man mit Worten jenseits des Schulunterrichts umgehen kann“, sagt sie. „So eine AG geht ja in die journalistische Richtung, man schreibt über andere, über Ereignisse. Ich wollte danach etwas darüber schreiben, was von mir selbst ausgeht, was mich beschäftigt.“ Mit Erfolg, wie ihre beiden bisherigen Teilnahmen beim Jugend-Literaturpreis der OVAG beweisen.

“Die gewohnte Umgebung zu verlassen wird schwierig, das ist mir klar”

Wie sie nun auf die Idee mit ihrer diesjährigen Geschichte gekommen ist? „Ich möchte nach dem Abitur erst einmal aus Romrod wegziehen möchte, um irgendwo zu studieren. Ich habe mir eben vorgestellt, wie das sein könnte, wenn man sein Elternhaus und seine gewohnte Umgebung verlässt. Schwierig wird das, das ist mir klar.“

Bewusst offen gelassen hat Julia in ihrer Geschichte, um welche Personen es sich handelt, die Abschied nehmen: Die Jugendliche von dem Vater, von der Mutter, die Enkelin vom Großvater, von der Großmutter? Der Leser – und das ist ein gleichwohl geschickter wie gelungener Kniff bei ihrer Vorgehensweise – wird sich selbst und jene Person vor sich sehen, von der er Abschied nehmen muss oder Abschied genommen hat. Denn – und das ist der zweite geschickte Schachzug – die Geschichte ist von beiden Seiten zu lesen, sowohl von jenen die bleiben als auch von jenen, die gehen.

Keine Sentimentalität, kein Kitsch

Eine Thematik, die gerade dazu verleitet in Sentimentalität, wenn nicht gar Kitsch abzudriften. Dieser Versuchung ist Julia nicht erlegen. Sie hat mit Empathie und Gefühl geschrieben, mit Einfühlung und dem Vermögen, stets den richtigen Ton zu treffen. „Du hast mir lange nicht mehr vorgelesen“, gibt sie gleich im ersten Satz die Richtung vor. Weitere Sätze:

  • „Ich vermisse, wie du Figuren mit deiner Stimme zum Leben erweckt hast.“
  • „Ich bin älter geworden als damals in dem Ohrensessel, und es ist an der Zeit, dass hinter mir zu lassen. Auch wenn es bedeutet, mich von dir zu entfernen.“
  • „Doch wie verabschiedet man sich von einem Menschen, der immer da war?“
  • „Es wird sich nicht alles verändern. Wenn ich einen Zebrastreifen überquere, werde ich weiterhin nur auf die weißen Streifen treten.“

Studieren? Vielleicht was mit Politik!

Was sie genau studieren möchte, darauf hat sie sich noch nicht festgelegt. Vielleicht etwas mit Politik. Dem Schreiben wird sie auf alle Fälle verbunden bleiben, wenn auch nicht beruflich. „Allein zum Ausgleich“, sagt sie. Möglicherweise auch, um Dinge, die sie bewegen, besser verarbeiten, besser einordnen zu können. „Ich denke schon, dass mir nach dem Verfassen dieser Geschichte der Abschied von zu Hause ein wenig einfacher fallen wird.“ Mal sehen, über welchen Text von Julia Rausch man sich im nächsten Jahr freuen darf. Ihr jetziger Text „Engelchen, Engelchen flieg“ zumindest ist in dem im Februar 2024 erscheinenden Buch „Gesammelte Werke“ zu lesen.

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