NABU-Experte Thomas Steinke: „In drei bis fünf Jahren kommt der Biber auch nach Romrod“
Von Thomas Liebau
Er ist das größte Nagetier Europas: der Biber. Die ältesten Nachweise des europäischen Bibers reichen 15 Millionen Jahre zurück, zu Beginn des 20. Jahrhunderts aber war der Nager in Deutschland beinahe ausgerottet – der Mensch wollte sein Fell, sein Fleisch, das Sekret seines Drüsensacks für medizinische Zwecke. Mittlerweile gehört der Biber auch im Vogelsberg wieder zum Landschaftsbild – und auch in Romrod wird er wieder heimisch werden. „Ich bin kein Prophet, aber in drei bis fünf Jahren könnte der Biber nach Romrod kommen“, sagte Thomas Steinke (rechts im Foto) von der NABU-Gruppe Alsfeld/Romrod/Schwalmtal am Montagabend bei einem gut besuchten Vortrag im „Ristorante Al Castello da Piero“.
Der Biber kommt über die Kinzig, die Fulda, die Schwalm
Lediglich im Osten, an der Mittelelbe, überlebten etwa 150 „deutsche Biber“ – und dieser Gruppe ist es zu verdanken, dass die Population des Nagetiers sukzessive wieder steigt. In den 1960er Jahren wurden die Elbe-Biber in Bayern ausgewildert, 1987 auch im hessischen Spessart. 20 Jahre später war der Biber im Vogelsbergkreis angekommen, heute gibt es ebenda bereits 54 Reviere, manche verwaist, die meisten im „hohen Vogelsberg“: 10 in Schlitz, 9 in Grebenhain, 7 in Lauterbach, je 5 in Schotten und Herbstein (siehe untenstehende Infografik). Was dem Menschen die Straße, ist dem Biber das Gewässer: Aus dem Süden reist er an über die Kinzig, aus dem Osten über die Fulda und aus dem Norden über Schwalm und Antrift – bei Seibelsdorf gibt es bereits ein Revier.
Eigentlich klar, dass der vegetarische Nager auch bald in die Gemarkung Romrod kommt. Im zweiten Jahr nämlich vertreiben die Bibereltern ihre Jungtiere, da das Revier dann zu klein für alle Familienmitglieder wird, vor allem hinsichtlich der Nahrungsverfügbarkeit. Im Vogelsberg sind die Reviere ein bis fünf Kilometer Fließgewässerstrecke groß. Wird ein Jungtier vertrieben, so muss es ein eigenes, nicht besetztes Revier erschließen – und dafür vielleicht drei bis 25 Kilometer „wandern“. So wird peu à peu jedes Stück Gewässer erschlossen. Der Umstand, dass Biber nur dort siedeln, wo Wasser ist, zeigt zugleich: der Lebensraum begrenzt die Population, trotz zunehmender Verbreitung wird es keine „Biber-Explosion“ geben.
„Der Biber verändert als einziges Tier die Landschaft“
Zugleich aber ist der Biber – wie auch der Wolf – ein neuer Mitbewohner. Das bringt fraglos auch Probleme mit sich, wie Thomas Steinke ausführte. „Der Biber verändert als einziges Tier die Landschaft“, sagte der NABU-Experte und zählte einige mögliche Probleme auf: Unterminierung von gewässernahen Flächen, Überschwemmungen, gefällte Bäume, Fraß von Feldfrüchten in Ufernähe. Dagegen würden Drahtgitter, Elektrozaun, Teichmönch-Schutz und – in letzter Instanz – auch Lebendfallen helfen. Präventive Maßnahmen, so Steinke, würden finanziell unterstützt, doch gäbe es keine Entschädigungen.
Angesichts dieser möglichen Konflikte sei ein „Biber-Management“ unerlässlich. Bibermanager gibt es in drei Instanzen: Beim Regierungspräsidium Gießen, beim Forstamt Romrod und in ehrenamtlicher Tätigkeit, wie sie auch Thomas Steinke wahrnimmt. „Es gibt kein ‚ob‘, sondern nur ein ‚wie'“, ließ Steinke in seinen Ausführungen keinen Zweifel daran, dass der Biber kein Gast, sondern dauerhaft bleiben wird. „Der Biber muss mitgedacht werden“, sagte er und gab auch gleich ein praktisches Beispiel: Agrarflächen oder Wege sollte man nicht mehr bis nahe ans Ufer bauen, sondern bis zu 20 Meter Abstand zum Gewässer halten. Extensiv oder ungenutzte Flächen ließen dem Biber den Platz, den er benötige.
Ökologie, Hochwasser, Grundwasser – der Biber ist ein Ökobaumeister
Der Biber, der eine Kopf-Rumpf-Länge von bis zu einem Meter erreichen kann und dessen markanter, schuppiger Schwanz nochmals weitere 30 Zentimeter lang werden kann – ein ausgestopftes Exemplar konnten alle Interessierten vor Ort begutachten (siehe machstehendes Foto von Birgit Lindenthal) -, sei ein wertvoller „Ökobaumeister“, so Steinke. Der Biber betreibe Gewässer-Ökologie und sorge für Artenreichtum bei Pflanzen- und Tierarten. Biber können auch beim Hochwasser-Rückhalt helfen und das Grundwasser anreichern.
„Biber sind nicht einfach zu sehen, aber ich glaube, dass jeder interessierte Vogelsberger irgendwann mal einen Biber zu sehen bekommt“, blickte Thomas Steinke in die Zukunft.